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Das Sichtbare mit anderen Augen

Heinz-Norbert Jocks
 

Westdeutsche Zeitung, 25.10.1997

Stephanie Pech, die erneut bei Niepel ausstellt, malt auf erfrischende Weise gegenständlich.

So, als habe es nie ein Verbot der Moderne gegeben, dabei beruft sie sich auf den Surrealismus und den Begriff der theologischen Erscheinung à la James Joyce.

Da, wo bei ihr Tintenfische im Wasser dahingleiten, schimmert das Meer glasklar und strahlend blau, durchmischt mit aufschäumendem Weiß. Wie neugierig die 1968 in Unna Geborene auf Veränderungen durch Bewegungen und Lichtverhältnisse reagiert, verdeutlicht sie durch geschickte Variationen ihrer Themen.

Vermittelt sie einerseits den Eindruck, sich mimetisch genau an die Vorbilder zu halten, so hebt sie ihn kurz darauf wieder auf. Auf Farben stehend, die durch sich selbst wirken, und weit entfernt von fotografischen Abbildern, wirken ihre Gemälde wie konzeptlose Inszenierungen purer Sinnlichkeit. Ihr Interesse an einem Fluß zwischen kalten und warmen Tönen, ihr Hang zu Kontrasten, ihr Wille zu einer seltsamen Künstlichkeit und ihre Lust auf Farb- und Formspiele sind prägend für eine Malerei, die sich das Figurative einverleibt.

Diese Kunst gibt sich so befreit, daß die Motive zwar nicht zur Nebensache verkommen, wohl aber dienen sie nur noch als Anschauungsobjekte und Herausforderung.

Absicht ist, sich aus einer Distanz, die befremdet, am Sichtbaren zu reiben. Wenn sich Stephanie Pech in die Oberfläche des Weichtieres bis in Winzigkeiten hinein vertieft, dabei verliebt in die Übergänge zwischen Rot und Braun, so geschieht dies aus einer Leidenschaft heraus, die nichts mit Nachahmung zu tun hat.

Je präziser die Wahrnehmung desto stärker die Irritation. Denn Bekanntes wird plötzlich zur Fremdheit. Der Nahblick sorgt dafür, daß die Erscheinungen ihre Eindeutigkeit verlieren und der Zauber der Ambivalenz, der zu Assoziationen einlädt, zu wirken beginnt. Übrigens so stark, daß wir bei der Identifizierung dessen was wir sehen, nicht mehr 100prozentig sicher sind.

Ob Stephanie Pech das saftige Grün eines aus der Erde gerissenen Kaktus unter die Lupe nimmt dessen Stacheln in der Vergrößerung Anmut zukommt, oder ob sie sich in die höhlenartige Innenwelt einer zu einem Schlitz geöffneten Muschel wie in ein geheimnisvolles Niemandsland vortastet, sie treibt das Sehen bis zum Höhepunkt der Verwunderung. Auch dann, wenn sie das Innere des Äußeren von totem Rhabarber oder einige frisch aufgeplatzte Kastanien erkundet, deren Erscheinung sich auf einmal einem tierischen Lebewesen angeglichen hat. Diese Verkehrung ins Andere ist es, worauf die Künstlerin äugt.

 

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