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Kunstverein Offenburg

Ausstellungseröffnung "Floating Strangers"

Stephanie Pech

29.09.2023

Eröffnungsrede

Dr. Susanne Ramm- Weber

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstfreunde, liebe Stephanie,

Seien Sie herzlich zur neuen Ausstellungssaison begrüßt. Ich freue mich, dass wir diese Ausstellung mit Arbeiten von Stephanie Pech zeigen können. Ich danke gleich an dieser Stelle den Sponsoren der Firma Edeka, der Stadt Offenburg und der Kulturstiftung Offenburg herzlich für ihr Engagement. Im Februar 2022 bekamen wir eine Anfrage von Tayfun Belgin vom Osthaus Museum Hagen, ob wir uns eine Kooperation hinsichtlich einer Ausstellung mit der Bonner Malerin Stephanie Pech vorstellen könnten. Durch diese Anfrage wurden wir auf eine Malerin aufmerksam, die ein ebenso spannendes wie anregendes Oeuvre vorzuweisen hat. Nun sind die Räumlichkeiten hier ganz andere als in Hagen, so dass wir uns für eine eigene Ausstellungskonzeption entschieden haben.

 

Zu sehen ist ein Querschnitt durch das Werk, in dem in den vergangenen zwanzig Jahren eine deutliche Entwicklung stattgefunden hat. Die Bilder sind im Laufe der Zeit komplexer, komplizierter und spannender geworden. Spannung entsteht zum einen durch ungewöhnliche Kombinationen, zum anderen durch das Verhältnis und die Abstände dargestellter Gegenstände zueinander. Wie viele Zentimeter sind sie voneinander entfernt? Es gibt diese magische Grenze, wo die Distanz zwischen zwei Gegenständen diese als Einzelne erscheinen lässt, wahrnehmbar macht, oder sie eben aufeinander bezogen sehen lässt. In den Werken von Stephanie Pech sind sie deutlich aufeinander bezogen. Der Krebs in der Badewanne, der auf den Abfluss ausgerichtet ist, der räumlichen Perspektive wegen aber im Vordergrund 2 dominiert und das Bild hält, das Bügeleisen, das von oben her wie angriffslustig auf den verdreht liegenden BH zielt. Es sind Szenen, die ihren Ursprung im Alltag haben, ihm aber in der Art und Weise der Darstellung enthoben sind und auch symbolischen Charakter als Stellvertreter annehmen können. Ein Meister der Darstellung von Haushaltsgegenständen war der kürzlich verstorbene Düsseldorfer Maler Konrad Klapheck. Bei ihm wird das dampfende Bügeleisen zum Stellvertreter für die Schwiegermutter. Eine Symbolik also. Bei Stephanie Pech kommt auch die Kombi „Bügeleisen und Frosch“ vor. Festgelegt ist die Symbolik hier nicht. Man kommt aber auch nicht umhin, sich eine zu denken. Im Bild entsteht eine eigene Wirklichkeit, eben jene des Bildes. Eine neue Wirklichkeit, eine ganze Welt von Eigentümlichkeit wird in diesen Bildern geschaffen.

 

Tiere, Kriechtiere wie Regenwürmer, Meeresgetier, Tintenfische, Fische, Krebse, Falter, Frosch und Aal, auch Pflanzliches, immer in ungewöhnlicher Kombination, so dass die Bilder mehr Fragen stellen als beantworten, eigene Fragen stellen. Sie weisen damit über sich hinaus und man kommt ihnen vielleicht besser bei, wenn man sie als Zustandsbeschreibungen auffasst. Zustände von inneren Stimmungen, wie die auf der Einladungskarte abgedruckte Arbeit „Inner mood“, die in Sichtbares gewandelt werden. Es geht nicht um Verfälschung, etwa derart, wie die Surrealisten sie vornehmen, wenn bei Salvador Dali die Uhr zerrinnt wie die Zeit. Der Frosch ist als solcher identifizierbar, oder das Bügeleisen ist Bügeleisen, das Ding als solches bleibt das Ding. Womit wir Betrachter es assoziieren, ob wir es übertragen auf eigene Erfahrungen, bleibt uns überlassen. Eher scheint hier eine philosophische Dimension jenseits der humorvollen Spiellust auf.

 

In den technischen Mitteln ist die Malerin, die schon zu Akademiezeiten in Münster groß und aus dem ganzen Körper heraus gemalt hat, sehr versiert. Die Mittel sind beispielsweise die Setzung eines Schattens, etwa von der Kante eines Duschvorhangs oder einem illusionistisch auf dem Badewannenwasser 3 schwimmenden Bikinioberteil. Während Flächiges mit Acryl und Sprayfarbe gestaltet wird, sind die Formausgestaltungen in Öl gehalten, das bessere Möglichkeiten zur Modellierung bildet. Hinzu kommt als Technik die Frottage, eine von Max Ernst ins Bewusstsein gehobene Methode, bei der Material mit Farbe bestrichen und dann abgedruckt wird, oder durch Auflage des Materialträgers abgedruckt wird, so wie man früher als Kind Papiergeld durch Rubbeln auf Papier über einer Münze herstellte.

 

Derart wird ein Fahrradmantel zur Kameralinse im Bild, oder eine Schnur zu einer Linie, die Noppenfolie, das wichtigste Bildverpackungsmaterial, bildet eine Fläche im Bild, und schließlich kommt ein Fußabdruck vor, dann der ganze Körper. Hier bezieht sich die Künstlerin ausdrücklich auf den französischen Künstler Yves Klein. Er hatte 1960 die Körper von Modellen zum lebendigen Pinsel gemacht, indem er sie in einer Performance mit der patentierten Yves Klein-blauen Farbe bemalte und sie sich dann auf Leinwand legen ließ, so dass an den Stellen des Aufliegens Farbabdrücke entstanden, ein Bild wie von selbst. Stephanie Pech nutzt dieses Verfahren und arbeitet seit Jahren mit einem Modell in vertrauensvoller Zusammenarbeit. Allerdings bleibt bei ihr der Körperabdruck nicht für sich stehen, sondern wird weiterbearbeitet und dient als Grundlage für die Ausarbeitungen. Die Lage auf der Leinwand ist entscheidend für die weitere Komposition, wie an dem Beispiel namens „Laika“ gut zu sehen ist. Auf hellblauem Grund wolkt der Körperabdruck in Lila auf der oberen Bildhälfte, nur ein paar durchschimmernde Farbspuren von hellblau halten das ganze Bild zusammen. In die amorph gewordene Masse, aus der sich sichtbar ein Gesäß schält, fügt die Malerin konkrete, ordnende Strukturen ein, zwei Kabel und einen Kreis wie eine Linse oder ein Objektivfilter oder ein Fenster. Trickreich lässt sie das eine, weiße Kabel von oben in die wolkige Masse verschwinden und anderswo nach unten wieder heraustreten, das andere, rotweiß gestreifte kommt von rechts und endet mit einem Stecker im Bild, gibt ihm einen Halt im Vordergrund. Vielleicht würde man nicht auf den Titel „Laika“ kommen, wenn man das Bild für sich sieht. Laika war das erste Lebewesen, das einen Ausflug in das Weltall absolvierte, im November 1957 schickten die Sowjets die Hündin mit Sputnik 2 auf die Reise. Beim Wiedereintritt in die Atmosphäre allerdings verglühte die Hündin in ihrem Gefährt. An ein Überleben war zu dem Zeitpunkt nicht gedacht. Man opfert das Tier um der Forschung willen. Zahlreiche Musiktitel und Filme hat dieses Ereignis bewirkt, und es wirkt nach, wie man heute hier sehen kann.

 

Das Interesse an den dargestellten Objekten und Figuren kommt nicht von ungefähr. Die Künstlerin hat neben der freien Kunst auch Geografie studiert, Natur und Umwelt sind zentral für ihr Denken. Es geht nicht zuletzt auch darum, die Aufmerksamkeit auf Dinge zu richten, die gerne übersehen werden. Welche Rolle spielt der Regenwurm im Büroalltag? Mit dieser Frage entlasse ich Sie in die Ausstellung. Nicht versäumen möchte ich, Sie auf den großartigen Katalog aufmerksam zu machen und wenn Sie Kaufinteresse haben, wenden Sie sich bitte an Martin Sander!
Ich danke herzlich für die Aufmerksamkeit und wünsche gute Gespräche.
Vielen Dank!

 

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